Die alte indische Sprache sanskrit gilt bis auf den heutigen Tag für viele als heilige Sprache.
Gerne wird behauptet, dass es sich bei der Sprache der mantras und des yoga um die Ursprache der Menschheit handelt.
Auf die Gefahr hin, einige schöne Illusionen zu zerstören, sollen im Folgenden die Ursprünge dieser faszinierenden Sprache skizziert werden
Auf der Suche nach neuen Weideplätzen für ihre Schafe, Rinder und Pferde dringen halbnomadische Stämme seit ca. 1500 v. Chr. in den Nordwesten von Indien ein.
Zuvor hatten sie in der nordiranischen Hochebene und im heutigen Nordafghanistan gesiedelt.
Mit ihren Bronzewaffen und leichten Streitwagen sind sie der einheimischen Bevölkerung überlegen und verdrängen diese im Lauf der Jahrhunderte immer mehr nach Süden.
Die Einwanderer bringen ihren (patriarchalischen) Götterhimmel mit und eine Sprache, die zur indoeuropäischen Sprachfamilie gehört.
Damit ist sie dem Griechischen, Persischen, Germanischen, Romanischen u.v.m. verwandt, was in Übereinstimmungen in Wortschatz und Grammatik noch heute erkennbar ist.
Diese Sprache ist die früheste Sprachstufe des Altindischen, das s.g. vedische Sprache, aus der sich seit ca. 1000 v. Chr. dann das sanskrit entwickelt. Die Einwanderer begreifen ihre Sprache als devavani „Göttersprache“ (aus deva- m. „Gott“ und vani- f. „Musik, Ton, Stimme“), als Klang, der direkt von den Göttern kommt.
Für sie ist die Sprache der mantras der heiligen veden (der ältesten Literatur Indiens, die bis zu ihrer Niederschrift über Jahrhunderte hinweg mündlich tradiert wurde) göttlicher Urklang, der nur Auserwählten offenbart wurde. In einer Zeit, in der der Sprache magische Kraft zugemessen wird, glauben die Menschen, dass sich die Götter im Ritual nur dann herbeirufen und günstig stimmen lassen, wenn die Preislieder und Opferformeln exakt ausgesprochen werden.
Im Indischen bedeutet sanskrit „zusammengefügt, kunstvoll,“ was auf den immensen Formenreichtum anspielt.
Da dieser nicht alltagstauglich ist, bleibt sanskrit nur bis etwa zum 5. Jh. v. Chr. Alltagssprache und das auch nur für die gehobenen Schichten.
Während sich grammatikalisch vereinfachte mittelindische Dialekte entwickeln (das s.g. prakrit) bleibt sanskrit die Gebildetensprache, die Sprache der Gesetzgebung, der Literatur, der Philosophie und vor allem der Religion. sanskrit ist die Sprache, in der die Suche nach dem wahren Wesen unserer Existenz formuliert ist, die die indischen religiösen Vorstellungen über die Jahrtausende beschäftigt und sich in so bedeutenden und heute noch aktuellen Werken wie der bhagavadgita spiegelt.
Wenn wir Worte aus dem sanskrit hören oder sie sogar selbst sprechen, rezitieren, singen, kann es sein, dass wir eine herzöffnende, tief beruhigende Wirkung empfinden.
Das liegt sicher zu einem großen Teil an der besonderen Klangstruktur dieser Sprache. Besonders auffallend ist nämlich die Häufigkeit des Vokals a in seiner kurzen und langen Variante. Das liegt daran, dass die Vokale a, e, o in der (nur rekonstruierten) indoeuropäischen Sprache, aus der sich das Altindische entwickelt hat, zu a zusammengefallen sind.